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Saures |
Ich habe diesen Spruch, den Kinder zu Halloween bei ihren Beutezügen um die
Häuser sagen, gewählt, um damit ein so genanntes „ErwachsenenSpiel“ zu
benennen, das mir gerade in letzter Zeit wieder besonders ins Blickfeld gerückt
ist.
Was tut ‚mensch’ nicht alles, um sich vor Enttäuschungen zu schützen, oder
im Gegenzug sich von der Anstrengung fernzuhalten, selbst Nettigkeiten und
Streicheleinheiten unter`s Volk streuen zu müssen.
Dabei gilt der Grundsatz: „ Süßes – sonst gibt`s Saures!“
Das wird aber nur manchmal offen gesagt. Und da ist auch kein gegenseitiges Übereinkommen.
Die Regel jedoch schwebt im Raum wie ein ungeschriebenes Gesetz. Und
schon recht schnell, bevor der Andere weiß, wie ihm geschieht, wird er als Verursacher der schlechten Laune detektiert und auf`s Übelste beschimpft und
abgewehrt.
Dabei
lässt sich jedoch vermuten, dass der, welcher so empfindlich reagiert hat,
keinen Deut besser mit seinen eigenen Gefühlen klar kommt und nicht trennen kann,
was vom Anderen kommt und was sie/er mit sich klären sollte, und sich deshalb vor Verschlechterung seines
Allgemeinbefindens mit derart drastischen Abschottungsmaßnahmen schützen muss.
Süsses – sonst gibt`s Saures, gibt also eine einseitige
Richtung vor, welche zugleich die Rollen festlegt:
Du sollst
mir nur Süßes geben. ( Ich bin Kind - ich hab das nötig!)
Mit
allem Anderen wende dich an deinen Psychiater, Beichtvater, oder sonst wen.
Damit darfst du nicht zu mir kommen, sonst schicke ich dich weg, oder
ich verlasse dich auf der Stelle.
Diese Einseitigkeit lässt nur positive Äußerungen und
Gefühle zu und schafft eine Scheinwelt und eine sehr brüchige Scheinharmonie
und hat etwas gespenstisches, wie mir jemand in einem Gespräch über dieses
Thema zurückmeldete. Es sind Geistwesen, wie zu Halloween, die hohl und untot
sich da begegnen, ohne jede menschliche Regung, ohne Gefühl und fleischlos.
Vielleicht
kennen Sie Disneyland, oder ähnliche Parks und Einrichtungen. ‚Mensch’ sieht
dort keine Betrunkene, keine armen Leute, Penner, oder Wegelagerer. Alles, was
in irgendeiner Weise negative Anstöße gibt, wird mittels Wachpersonal und über
unterirdische Gänge aus dem Weg geschafft. Irgendwie hält ‚mensch’ es in einer
solchen „klinisch reinen“ Umgebung meist nicht länger als drei Tage aus, weil
diese Art von Erlebnis nichts mit unserer „natürlichen“ Umgebung zu tun hat.
Konrad Lorenz, der Verhaltensforscher sprach in diesem Zusammenhang einmal vom
„Wärmetod der Gefühle“. Weil der Mensch sich die Chance nimmt, Negatives als
natürlich hinzunehmen und auszuhalten, kommt er immer mehr in die positive
Region und Höhe der Gefühle und nimmt sich zum einen die Chance, wirkliche
Höhepunkte zu erleben, und wird zum anderen unfähig, auch nur kleine Phasen von
negativem Erleben durchzustehen.
Meist
sind Abstürze aus solchen Höhenflügen sehr, sehr dramatisch und schmerzhaft.
So halte ich das ErwachsenenSpiel „Süßes-sonst-gibt’s-Saures“ für ein gefährliches Spiel,
welches einen in diesen Wärmetod der Gefühle treiben kann. Es erzeugt, so habe ich es erfahren, eine
Sucht nach immer mehr positiven Erlebnissen. Weil auch Verschnaufpausen bald
als negativ wahrgenommen und gemieden werden, kann sich nach einer gewissen
Zeit nur eine Sättigung und Erschöpfung einstellen, welche dann wieder betäubt
und übergangen werden muss, um sich nicht der eigenen Scham stellen zu müssen.
Menschen,
welche in diesem Kontext „Süßes-, sonst gibt`s Saures“ mit ihrer Umwelt stehen,
sind, so habe ich es wahrgenommen, nicht wirklich zufrieden zu stellen. Weil ihr Verhalten schräg und unangepasst wirkt, schaffen sie es auch nicht, eine wirkliche Beziehung zu Anderen
aufzubauen.
Solche Beziehungen sind eher oberflächlich und ohne wirkliche
Anteilnahme, weil Gefühle nicht wirklich zugelassen werden.
Ich finde
diese Art des Umgangs miteinander „Süßes – sonst gibt`s Saures“ nicht wirklich hilfreich. Auf diese Art
künstlich gehaltener „positiver“ Austausch“ ist nicht wirklich positiv. Und ich meine, er wirkt sich auch nicht positiv aus, weil wichtige Anteile im Erleben
ausgeblendet und nicht geduldet, also auch nicht gemeinschaftlich durchlebt und
überwunden werden.
Im
Gegenteil! Immer, wenn die Zeit einmal wieder dazu „reif“ ist, entsteht ein
Beziehungsabbruch, welcher die Beziehung zum vermeintlichen Partner in immer
weitere Distanz und Gefühlskälte rückt, weil ja nur „Süßes“ vom Partner
geduldet und ertragen wird.
Diese Art
miteinander leben zu wollen halte ich für „ver-rückt“. Warum? Menschen, die aus
geringstem Anlass immer wieder verlassen werden, fühlen sich in ihrer Art nicht
akzeptiert und werden nur noch ausgenutzt als „Pausenclown“, ausgehöhlt als
„Stimmungskanone“ und dienen letztlich nur noch einer egomanen
Erheiterungssucht und Unterdrückung und Ablenkung von eigenen Launen und
Missstimmungen.
Das
erträgt, so habe ich das selbst erfahren, ein "normaler" Mensch auf Dauer nicht. Deshalb wird er irgendwann die Beziehung zu
einem „Süßes – sonst gibt`s Saures“- Menschen ganz abbrechen.
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