Dienstag, 7. Oktober 2014

SuessesSonstGibtsSaures

Saures
Ich habe diesen Spruch, den Kinder zu Halloween bei ihren Beutezügen um die Häuser sagen, gewählt, um damit ein so genanntes „ErwachsenenSpiel“ zu benennen, das mir gerade in letzter Zeit wieder besonders ins Blickfeld gerückt ist.

Was tut ‚mensch’ nicht alles, um sich vor Enttäuschungen zu schützen, oder im Gegenzug sich von der Anstrengung fernzuhalten, selbst Nettigkeiten und Streicheleinheiten unter`s Volk streuen zu müssen.

Dabei gilt der Grundsatz: „ Süßes – sonst gibt`s Saures!“ 

Das wird aber nur manchmal offen gesagt.                             Und  da ist auch kein gegenseitiges Übereinkommen.

Die Regel jedoch schwebt im Raum wie ein ungeschriebenes Gesetz. Und schon recht schnell, bevor der Andere weiß, wie ihm geschieht, wird er als Verursacher der schlechten Laune detektiert und auf`s Übelste beschimpft und abgewehrt. 

Dabei lässt sich jedoch vermuten, dass der, welcher so empfindlich reagiert hat, keinen Deut besser mit seinen eigenen Gefühlen klar kommt und nicht trennen kann, was vom Anderen kommt und was sie/er mit sich klären sollte,  und sich deshalb vor Verschlechterung seines Allgemeinbefindens mit derart drastischen Abschottungsmaßnahmen schützen muss. 

Süsses – sonst gibt`s Saures, gibt also eine einseitige Richtung vor, welche zugleich die Rollen festlegt: 

Du sollst mir nur Süßes geben. ( Ich bin Kind - ich hab das nötig!)

Mit allem Anderen wende dich an deinen Psychiater, Beichtvater, oder sonst wen. Damit darfst du nicht zu mir kommen, sonst schicke ich dich weg, oder ich verlasse dich auf der Stelle.

Diese Einseitigkeit lässt nur positive Äußerungen und Gefühle zu und schafft eine Scheinwelt und eine sehr brüchige Scheinharmonie und hat etwas gespenstisches, wie mir jemand in einem Gespräch über dieses Thema zurückmeldete. Es sind Geistwesen, wie zu Halloween, die hohl und untot sich da begegnen, ohne jede menschliche Regung, ohne Gefühl und fleischlos. 

Vielleicht kennen Sie Disneyland, oder ähnliche Parks und Einrichtungen. ‚Mensch’ sieht dort keine Betrunkene, keine armen Leute, Penner, oder Wegelagerer. Alles, was in irgendeiner Weise negative Anstöße gibt, wird mittels Wachpersonal und über unterirdische Gänge aus dem Weg geschafft. Irgendwie hält ‚mensch’ es in einer solchen „klinisch reinen“ Umgebung meist nicht länger als drei Tage aus, weil diese Art von Erlebnis nichts mit unserer „natürlichen“ Umgebung zu tun hat. 

Konrad Lorenz, der Verhaltensforscher sprach in diesem Zusammenhang einmal vom „Wärmetod der Gefühle“. Weil der Mensch sich die Chance nimmt, Negatives als natürlich hinzunehmen und auszuhalten, kommt er immer mehr in die positive Region und Höhe der Gefühle und nimmt sich zum einen die Chance, wirkliche Höhepunkte zu erleben, und wird zum anderen unfähig, auch nur kleine Phasen von negativem Erleben durchzustehen. 

Meist sind Abstürze aus solchen Höhenflügen sehr, sehr dramatisch und schmerzhaft. 

So halte ich das ErwachsenenSpiel „Süßes-sonst-gibt’s-Saures“ für ein gefährliches Spiel, welches einen in diesen Wärmetod der Gefühle treiben kann. Es erzeugt, so habe ich es erfahren, eine Sucht nach immer mehr positiven Erlebnissen. Weil auch Verschnaufpausen bald als negativ wahrgenommen und gemieden werden, kann sich nach einer gewissen Zeit nur eine Sättigung und Erschöpfung einstellen, welche dann wieder betäubt und übergangen werden muss, um sich nicht der eigenen Scham stellen zu müssen. 

Menschen, welche in diesem Kontext „Süßes-, sonst gibt`s Saures“ mit ihrer Umwelt stehen, sind, so habe ich es wahrgenommen, nicht wirklich zufrieden zu stellen. Weil ihr Verhalten schräg und unangepasst wirkt, schaffen sie es auch nicht, eine wirkliche Beziehung zu Anderen aufzubauen. 

Solche Beziehungen sind eher oberflächlich und ohne wirkliche Anteilnahme, weil Gefühle nicht wirklich zugelassen werden. 

Ich finde diese Art des Umgangs miteinander „Süßes – sonst gibt`s Saures“  nicht wirklich hilfreich. Auf diese Art künstlich gehaltener „positiver“ Austausch“ ist nicht wirklich positiv. Und ich meine, er wirkt sich auch nicht positiv aus, weil wichtige Anteile im Erleben ausgeblendet und nicht geduldet, also auch nicht gemeinschaftlich durchlebt und überwunden werden. 

Im Gegenteil! Immer, wenn die Zeit einmal wieder dazu „reif“ ist, entsteht ein Beziehungsabbruch, welcher die Beziehung zum vermeintlichen Partner in immer weitere Distanz und Gefühlskälte rückt, weil ja nur „Süßes“ vom Partner geduldet und ertragen wird. 

Diese Art miteinander leben zu wollen halte ich für „ver-rückt“. Warum? Menschen, die aus geringstem Anlass immer wieder verlassen werden, fühlen sich in ihrer Art nicht akzeptiert und werden nur noch ausgenutzt als „Pausenclown“, ausgehöhlt als „Stimmungskanone“ und dienen letztlich nur noch einer egomanen Erheiterungssucht und Unterdrückung und Ablenkung von eigenen Launen und Missstimmungen. 

Das erträgt, so habe ich das selbst erfahren, ein "normaler" Mensch auf Dauer nicht. Deshalb wird er irgendwann die Beziehung zu einem „Süßes – sonst gibt`s Saures“- Menschen ganz abbrechen.